Der Kulturschock bei einer Reise nach Thailand hält sich je nach eigener Offenheit in Grenzen, was unter anderem daran liegt, dass einem Thailänder ihre Kultur auch nicht gerade aufdrängen – und im Falle unangemessenen Verhaltens selten darauf hinweisen. Das führt dann bei vielen Besuchern dazu, dass sie sich eigentlich „falsch“ oder zumindest „fragwürdig“ verhalten und sich dessen noch nicht einmal bewusst sind.
In erster Linie liegt dies daran, dass Thais im Normalfall nicht die offene Konfrontation suchen, falls dieser seltene Fall doch Eintritt, ist große Vorsicht geboten. Ein Beispiel: wenn Menschen ohne T-Shirt durch Pai rennen, werden sie im Zweifel eher von ansässigen Farangs (Sammelbezeichnung westliche Ausländer) ermahnt, von Thais jedoch nicht. Oftmals kommt dann sogar ein Spruch in die Richtung „Die Thais haben aber nichts dagegen“ – dazu kann man nur sagen: Doch, das haben sie schon, aber sie sagen es einem eben nicht direkt.
Wir möchten gerne einige Verhaltensregeln und Besonderheiten in Thailand vorstellen, mit denen man auch oder gerade als erstmaliger Besucher konfrontiert wird.
Inhaltsverzeichnis
Die thailändische Begrüßung besteht aus dem Grußwort „Sawadee“ (ausgesprochen „sawatdii“) und dem Anhängsel „kha“ (Frauen) bzw. „krab“ (Männer). Diese Anhängsel sollten im Prinzip an JEDEN Satz angehängt werden, es ist eine Höflichkeitsfloskel und ein „Sawadee“ ohne „krab“ ist nur halb so viel wert und klingt falsch.
Hinzu kommt der „Wai“, ein Gruß mit gefalteten Händen. Die Höhe der Handposition ist vom Status des Gegenübers abhängig, bei Mönchen werden die Hände beispielsweise vor die Stirn gehalten, im Normalfall reicht vor der Brust, Finger auf Kinnhöhe aus. Es wird oftmals empfohlen, dass von einem Ausländer kein Wai erwartet wird, was grundsätzlich stimmt, aber unterm Strich wird er doch immer mit Freude entgegengenommen. Der “Wai” wird auch bei einer Entschuldigung und beim Bedanken angewandt.
Wenn Kinder einen schönen Wai machen, schmelzen die Herzen der Thais dahin, und ganz nebenbei haben die meisten Kinder daran auch Spaß – nicht zuletzt durch die überschwänglichen Reaktionen der Thais. Liam ist mit 14 Monaten manchmal vornüber gefallen, so enthusiastisch hat er den Gruß durchgeführt.
Thais nutzen eigentlich nur Vornamen, genauer gesagt Rufnamen. Den offiziellen Vornamen haben die Meisten nämlich durch einen Spitznamen ersetzt, sei es bereits durch die Eltern oder einen im späteren Leben selbst ausgesuchten. So einfach ist das, gefällt einem der Namen nicht, sucht man sich halt einen anderen aus – wir mögen das Konzept. Dementsprechend sollte man bei der Frage nach dem Namen auch immer nur den eigenen Vornamen nennen und nicht darauf spekulieren, als “Herr Maier” angesprochen zu werden.
Darüber hinaus gibt es drei Worte oder Präfixe, die man vor dem eigentlichen Namen zur Anrede sagen kann:
Wie vermutlich schon aufgefallen, das Erweisen von Respekt im alltäglichen Umgang ist sehr wichtig in Thailand. Ein besonders gutes Beispiel stellt das Vorbeigehen an älteren, sitzenden Menschen dar.
Die Etikette sieht dann vor, dass der Vorbeigehende sich so weit bückt, dass der Kopf unter dem des Sitzenden ist. Es reicht auch schon das symbolische Bücken, wenn man beispielsweise an am Boden sitzenden Personen vorbeigeht. Aber mit der Nase in den Himmel gestreckt stolzieren, das ist nicht so gern gesehen.
Herumschreien ist generell nicht angebracht. Ob zum Rufen einer Person oder in einer Diskussion, eine angemessene Lautstärke ohne Meckern und Maulen, bringt einen im Zweifel immer schneller ans Ziel als ein emotionaler Ausbruch. Zu beachten ist, dass die oft laute Art zu reden, die Europäer pflegen, in den Ohren von Thais generell schon an Schreien grenzt – dann kann man sich vorstellen, wie da wirkliches Schreien erst wirkt.
Es gibt dabei einzelne Personengruppen, denen besonderer Respekt gegenüber gebracht wird:
Daneben ist es essenziell, keine Statuen des Buddhas zu entweihen. Also Finger weg und alberne Selfies mit einer Statue findet auch keiner lustig, es gab in den vergangen Jahren erschreckende Beispiele menschlicher Entgleisungen.
Und nochmal der Hinweis, nur weil niemand etwas sagt in so einer Situation, heißt das nicht, dass sie gutgeheißen wird.
Ein Extrembeispiel waren vor ca. 2 Jahren zwei Russen, die in einen Tempel in unserer Nähe eingebrochen sind, betrunken und anderweitig unter Drogen. Sie haben sich dann in Mönchsroben in den Gebetssaal gesetzt und weiter getrunken, bis die Mönche des Klosters sie dort entdeckten. Verhaftung und sofortige Abschiebung – damit wären sie sogar noch gut bedient gewesen. Einer der beiden zog es jedoch vor, bei der Verlegung in ein anderes Gefängnis einen Polizisten mit dem Messer anzugreifen. Die Abschiebung war dann erstmal hinfällig.
Darüber ließen sich ganze Bücher füllen, über die vor allem in Asien generell recht verbreitete Angst des “Gesicht Verlierens”. Im Kern geht es darum, dass man nicht in der Öffentlichkeit bloßgestellt werden möchte und das auch Anderen ersparen möchte. Das hat zum Teil recht interessante Auswirkungen, bietet aber auch durchaus Vorteile hinsichtlich der Vermeidung von Streits. Ein paar Beispielsituationen, die davon beeinflusst werden:
Der Kopf ist für Thais heilig und dort sitzt das Selbst. Das Berühren Fremder am Kopf ist keine gute Idee, selbst bei fremden Kindern ist es nicht unbedingt ratsam. Wobei gerade letzteres Thais sehr gerne gerade bei Farangs machen, ein zweischneidiges Schwert also. Kennt man die Kinder, so ist es kein Problem, auf diese Weise Zuneigung auszudrücken.
Was den Einsatz der Hände anbelangt, wildes Gestikulieren gilt als unhöflich. Man sollte nie auf andere Menschen mit den Fingern zeigen.
Und die Füße, das ist ein besonderes Thema. Füße sind das Gegenteil des Kopfes und gelten als schmutzig und unrein. Dementsprechend werden diese vor einer Massage rituell gewaschen, wenn sie danach angefasst werden sollen. Deshalb lässt man seine Schuhe vor dem Haus oder auch vielen Lokalen stehen (entsprechende Schilder beachten) und deshalb sollte man versuchen, nie mit den Fußsohlen auf andere Menschen zu zeigen. Verschränkte Beine sind deshalb oftmals unangebracht. Füße auf den Tisch legen ein noch schlimmeres Delikt, als bei einem strengen deutschen Patriarchen.
In Pai gibt es einen alten sehr traditionellen Friseur, der schickt Leute egal welcher Herkunft nach Hause, wenn sie mit verschränkten Beinen darauf warten, an die Reihe zu kommen. Mit dem Hinweis, dass man Morgen wiederkommen soll, mit den richtigen Manieren.
Thais legen sehr viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Niemand schaut einen Bauern schräg an, wenn dieser mit schmutzigen Klamotten in Erscheinung tritt – aber wenn man als reicher Mensch (und der ist man automatisch, wenn man sich die weite Reise leisten kann) in zerrissener Kleidung auftritt, darf man keine große Begeisterung erwarten. Schwere Zeiten für (Alt-)hippies! Eine Freundin von uns hat in Pai viel Geld gemacht durch den Verkauf von T-Shirts mit dem Aufdruck “Hippies Smell”, ihre Kunden waren zu mindestens 50% Thais. Dazu passend ist die Angewohnheit, keine Schuhe zu tragen. Vereinfacht gesagt, wenn man normalerweise seine Schuhe vor dem Betreten eines Hauses stehen lassen soll, wie bewerkstelligt man das denn, wenn man gar keine Schuhe trägt?
Und wenn wir schon beim “nicht Tragen” von Kleidungsstücken sind: liebe Männer, bitte lasst eure T-Shirts an. Es ist eine Sache, in die Strandbar zu gehen, aber schon der Gang in die Shopping Mall auf der anderen Seite der Küstenstraße, rechtfertigt das Anziehen eines T-Shirts. Und wenn kein Meer in Sicht ist, wie im Norden des Landes? Dann gibt es eigentlich gar keine Ausrede mehr. Gerade im Norden ist es einfach extrem respektlos halbnackt durch die Gegend zu laufen. Im Süden, vor allem auf den Inseln, sieht man auch öfter mal Thais “oben ohne”, aber muss das echt sein?
Ach ja, “oben ohne” bei Frauen: Geht gar nicht, das sollte denke ich jedem klar sein, wenn man bedenkt, dass viele Thai Frauen nur mit T-Shirt o. Ä. Baden gehen. FKK ist natürlich genauso unangebracht.
Kurze Hosen (auch bei Männern) und knappe Oberteile sind keine passende Bekleidung für den Tempelbesuch, aber das sollte selbstverständlich sein. Die generelle Ablehnung kurzer Röcke und knapper Tops, die in vielen Ratgebern angeraten wird, finden wir etwas überholt. Thais tragen selbst gerne durchaus körperbetonte Bekleidung, es ist nur eine Frage der Situation.
Die Bewertung von Situationen und Menschen unterscheidet sich teilweise erheblich von denen im Westen. Da kann es helfen, sich ein paar Beispiele vor Augen zu halten.
Beim Essen gibt es eine Vielzahl von Regeln, ein Verstoß gegen diese wird einem als Gast aber normalerweise verziehen – man weiß es ja nicht besser. Trotzdem der Hinweis auf ein paar Besonderheiten.
Wir haben uns das bewusst für den Schluss aufgehoben. “Mei pen Rai” ist so etwas wie der Landes-Slogan Thailands. Macht nichts, halb so schlimm. Dies wird sehr großzügig bei Kindern und Freunden angewandt. Kann sich aber gerade bei Problemen auch mal sehr negativ äußern, weil diese z. B. nicht ernst genommen werden. Im Großen und Ganzen macht diese Einstellung das Leben in Thailand jedoch sehr angenehm.
Daraus resultierend werden einem als Gast auch viele Fehltritte und Unwissenheiten verziehen, der erhobene Zeigefinger ist keine typisch thailändische Eigenschaft. So kommt es auch, dass Menschen sich tage- und wochen- und monatelang daneben verhalten können, ohne einmal mit ihrem Fehlverhalten konfrontiert zu werden.
Eigentlich könnten wir uns den letzten Absatz auch sparen: die Einen lassen sich eh nicht belehren und die Anderen werden davon nie betroffen sein, da sie nicht auf Ärger aus sind. Wir wollen trotzdem noch ein paar mahnende Worte anbringen.
Man sollte sich einfach über eine Tatsache im Klaren sein: irgendwann ist auch diese besondere Form der Toleranz ausgereizt und dann kann es durchaus in das Gegenteil umschlagen. Probleme werden in Thailand oft nicht durch ewiges Debattieren gelöst, was schon aufgrund sprachlicher Barrieren scheitern kann, sondern gerne mit der Faust. Ein extremes Beispiel dafür ereignete sich vor wenigen Monaten während Sonkran in Hua Hin, das Video ist nur etwas für starke Nerven.
Gewalt ist in Thailand ein großes Thema und ein ernsthaftes Problem, was sich allein an den jährlichen Zahlen an (Schusswaffen-)Morden zeigt. Thailand rangiert hier zusammen mit Kolumbien, Guatemala und Südafrika auf den Spitzenpositionen. Davon bekommt man als Tourist normalerweise nichts mit, um es aber auf den Punkt zu bringen: man sollte zwei Mal darüber nachdenken, eine Barschlägerei anzuzetteln, denn man weiß nie, wer alles eine Waffe dabei hat.
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